Die Spezialisten bei Stromausfällen
Stromausfälle sind in der Schweiz vergleichsweise selten: Gerade mal 16 Minuten waren Endverbraucherinnen und Endverbraucher 2022 im Schnitt ohne Strom. Davon waren nur 7 Minuten ungeplant, beim Rest handelte es sich gemäss dem Bericht «Stromversorgungsqualität 2022» der Eidgenössischen Elektrizitätskommission (ElCom) um geplante Unterbrüche in der Stromversorgung. 2013 betrug die durchschnittliche Ausfallzeit noch 25 Minuten, und vor einigen Jahrzehnten lag sie noch deutlich höher. Die stetig verbesserte Stabilität des Stromnetzes ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Einer der Hauptgründe ist, dass vor allem auf den tieferen Netzebenen viele Freileitungen durch unterirdisch verlegte Leitungen ersetzt wurden. Dadurch ist das Stromnetz weniger anfällig auf Wettereinflüsse wie starke Schneefälle oder Sturm.
Gründe für Stromausfälle
Warum fällt der Strom überhaupt aus? Die Ursachen für einen «Blackout» unterscheiden sich je nach Art des Versorgungsgebietes und der Netzinfrastruktur. In urbanen Regionen mit wenig Freileitungen können beispielsweise Grabarbeiten zu Störungen führen, etwa wenn ein Baggerführer eine Stromleitung beschädigt. Der Vorteil bei solchen Störfällen ist, dass sie in der Regel rasch bemerkt und einfach lokalisiert werden können. Schwieriger ist das bei technischen Defekten, wenn zum Beispiel eine Leitung oder eine Muffe aufgrund von Materialermüdung nicht mehr funktioniert. Solche Fälle machen häufig den Einsatz spezieller Messgeräte notwendig, um das Problem genau verorten zu können. In ländlichen Gebieten und in höheren Netzebenen mit mehr Freileitungen kann es vorkommen, dass bei starkem Wind ein Baum auf eine Leitung fällt. Schlechte Witterung kann die Zugänglichkeit erschweren, was es schwierig macht, solche Störungen zu beheben. Wie die Fachleute von Repower mit solchen Situationen umgehen, zeigt der folgende Bericht.
Leitstelle koordiniert
In der Leitstelle von Repower überwachen insgesamt zehn sogenannte Dispatcher den Netzzustand und die Lastflüsse. Sie arbeiten im Schichtbetrieb rund um die Uhr, sodass bei einem Störfall immer jemand vor Ort ist, der entsprechende Massnahmen einleiten kann. Zudem koordinieren sie den Kraftwerkseinsatz und führen geplante Ausserbetriebnahmen durch, beispielsweise wegen Wartungsarbeiten.
Aber woher wissen die Dispatcher überhaupt, dass es einen Stromausfall gibt? «Bei grossen Stromausfällen, die ganze Quartiere, Dörfer oder Regionen betreffen, erhalten wir sofort eine Meldung in die Leitstelle», erklärt Sandro Isepponi, der Leiter Betrieb. «Handelt es sich dagegen um einen lokal begrenzten Ausfall, der nur wenige Haushalte betrifft, benötigen wir eine Meldung der Betroffenen.» In Zukunft werde man aber auch auf der untersten Stromnetzebene Störungen besser erkennen, weil in den kommenden Jahren alle Haushalte anstelle der analogen Stromzähler einen digitalen Smart Meter erhalten.
Sobald ein Stromausfall bemerkt oder gemeldet wurde, analysiert der Dispatcher die Lage und versucht einzugrenzen, welches Netzelement ausgefallen sein könnte. Wenn er abschätzen kann, wo das Problem liegt, prüft er eine Ersatzschaltung. Das bedeutet, dass das vom Ausfall betroffene Netzgebiet über einen anderen Strang versorgt wird. In der Regel ist das vor allem bei den höheren Ebenen des Stromnetzes möglich, weil dort mehr Redundanzen bestehen. Anschliessend gibt der Dispatcher den Auftrag an den Bereich Ausführung, vor Ort den Störfall zu beheben.
Für die Dispatcher sind Stromausfälle vor allem deshalb herausfordernd, weil sie sehr selten mit ihnen zu tun haben. «Es kann vorkommen, dass ein Dispatcher zwei oder drei Jahre lang keinen Störfall beheben muss, weil es immer eine andere Schicht trifft», sagt Isepponi. «Trotz der fehlenden Übung muss er im Ernstfall aber genau wissen, wie er vorzugehen hat.» Eine Hilfestellung dabei ist die Stromausfall-Übung «Blackout Schweiz», die von allen Schweizer Verteilnetzbetreibern unter Koordination von Swissgrid jedes Jahr durchgeführt wird.
Überregionale Zusammenarbeit
Um einen Stromausfall zu beheben, braucht es Fachleute, die vor Ort tätig werden. Die Verantwortung dafür liegt bei Renato Vassella, dem Bereichsleiter Ausführung bei Repower. Er koordiniert die Arbeit der rund 60 Netzelektriker an den vier Standorten in der Surselva, im Prättigau, Engadin und Puschlav. «Wenn ich eine Meldung über einen Stromausfall erhalte, analysiere ich den Bedarf und schätze ab, wie viele meiner Mitarbeitenden für die Behebung nötig sind», erklärt er. «Anschliessend biete ich den oder die Netzelektriker auf, die Pikett haben, und verfolge die weiteren Arbeiten.»
Manchmal sei es auch nötig, zusätzliche Massnahmen einzuleiten oder weitere Fachleute aufzubieten, etwa bei besonders schlechtem Wetter. Besteht zum Beispiel im Gebiet eines Stromausfalls Lawinengefahr, zieht Repower einen Spezialisten vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos bei, um die Situation vor Ort beurteilen zu lassen. Die Sicherheit der beteiligten Personen stehe dabei stets im Vordergrund, betont Vassella. Dazu gehört auch, dass die Netzelektriker in Ruhe ihre Arbeit machen können und sich nicht gestresst fühlen. «Sie müssen wissen, dass ihre Vorgesetzten sie unterstützen und präsent sind.»
Reparatur vor Ort
Einer der Netzelektriker von Repower ist Mike Gemperle vom Standort Prättigau in Landquart. Im Berufsalltag kümmert er sich um den Neubau und die Erneuerung der Netzinfrastruktur, also zum Beispiel um Hausanschlüsse, Freileitungen und Trafostationen. Daneben hat er regelmässig Pikettdienst. Ein- bis zweimal pro Jahr wird er aufgeboten, um einen Stromausfall zu beheben. Dabei erhält er zuerst die Information, ob der Ausfall von einem Stromkunden oder von der Leitstelle bemerkt wurde. «Stammt sie von einem Kunden, hole ich direkt bei ihm genaue Informationen ein», erzählt Gemperle. Anschliessend prüft er zuerst, ob die Sicherheit vor Ort gewährleistet ist und ob er die Fehlerbehebung alleine durchführen kann. Falls dem nicht so ist, fordert er personelle Unterstützung an und trifft entsprechende Massnahmen. Die Störungsbehebung geht er dann an, wenn die personelle Unterstützung eingetroffen und die Sicherheit gewährleistet ist. Auf jeden Fall muss der von einer Störung betroffene Strang abgeschaltet sein, denn es darf nur an spannungslosen Leitungen gearbeitet werden.
Anschliessend macht sich Gemperle auf den Weg und sucht die defekte Stelle im Netz. Durch Spannungsmessungen beim Kunden und den Vergleich mit dem lokalen Netzplan lässt sich oft ableiten, wo das Problem liegt. Gelingt die Ortung auf diese Weise nicht, kann der Netzelektriker einen Messwagen anfordern, der noch mehr Möglichkeiten zur Lokalisierung bietet. Die defekte Netzstelle kann sich im offenen Feld befinden, unter einer Strasse oder auch in einem Garten. «In 90 Prozent der Fälle müssen wir öffnen, also eine Grabung vornehmen, um den Defekt zu beheben», sagt Gemperle. «Die Grabarbeiten übernimmt eine externe Baufirma für uns.» Anschliessend könne er die beschädigte Netzstelle reparieren oder ersetzen.
Je nach Standort und Art der Störung kann es einige Stunden oder auch mehrere Tage dauern, bis sie behoben ist. In letzterem Fall wird meist eine temporäre Stromversorgung durch Notstromgeneratoren eingerichtet. Meist seien die Endkunden, die von einem Stromausfall betroffen sind, verständnisvoll und dankbar für die Arbeit, erzählt Gemperle. «Weniger Verständnis haben manchmal Leute, die vom Ausfall selbst nicht betroffen sind, denen aber der Strom für die Behebung abgestellt werden muss.» Insgesamt empfindet er den Kontakt mit den Endkunden aber als angenehm.
Stabile Technik und engagierte Menschen
Nebst der guten Infrastruktur und Technik ist es also auch auf die beteiligten Menschen zurückzuführen, dass das Schweizer Stromnetz eine hohe Zuverlässigkeit erreicht. Sandro Isepponi, Renato Vassella und Mike Gemperle sorgen gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen dafür, dass Störungen selten vorkommen und im Fall der Fälle möglichst rasch behoben werden.