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Strommarkt Schweiz: So beschaffen Sie Ihren Strom
In der Schweizer Stromversorgung ist der Strommarkt seit 2009 teilliberalisiert. Die meisten Haushalte und (Klein-)Unternehmen befinden sich in der Grundversorgung. Sie können ihren Energieversorger nicht selbst wählen, sondern erhalten den Strom vom lokalen Verteilnetzbetreiber zu festgelegten, regulierten Konditionen.
Der freie Strommarkt
Wer hingegen mehr als 100 000 kWh Strom pro Jahr verbraucht, kann in den freien Markt wechseln und selbst entscheiden, von welchem Energieversorger er die Elektrizität beziehen will. Bisher haben rund 23 000 Unternehmen diesen Schritt gemacht. Wichtig zu wissen: Ein Wechsel zurück in die Grundversorgung ist nicht möglich.
Erklärstück
Zusammensetzung des Strompreises
In der Schweiz setzt sich der Strompreis aus vier Komponenten zusammen:
- Energietarif: Der Preis für den gelieferten Strom, den man als Unternehmen im freien Markt entweder an einer Strombörse beschafft oder über einen selbst gewählten Energieversorger bezieht.
- Netznutzungstarif: Über diesen Tarif verrechnen Swissgrid und die Verteilnetzbetreiber ihre Ausgaben für den Bau, den Betrieb und den Unterhalt der Netze.
- Abgaben an Kantone und Gemeinden: Konzessionsabgaben oder lokalpolitische Abgaben.
- Netzzuschlag: Nationale Abgabe zur Förderung erneuerbarer Energien und für den Gewässerschutz.
Die Abgaben und der Netzzuschlag machen in der Regel nur einen kleinen Teil des Strompreises aus. Direkt beeinflussen können Unternehmen im freien Markt vor allem den Energietarif, indem sie zu günstigen Konditionen Strom einkaufen. Der Netznutzungstarif ist weitgehend fix – er lässt sich nur senken, wenn man zum Beispiel die bezogene Leistung und/oder die bezogene Energiemenge reduziert.
Entwicklung der Stromkosten
Im Sommer 2022 stiegen die Preise an den europäischen Strombörsen stark an. Gründe dafür waren unter anderem die höheren Gaspreise infolge des Ukraine-Kriegs sowie die geringe Verfügbarkeit der Kernkraftwerke in Frankreich. Inzwischen sind die Preise zwar wieder gesunken, liegen aber noch immer deutlich über dem Niveau von vorher. Für Unternehmen im freien Strommarkt sind die höheren Preise je nach Beschaffungsstrategie sehr herausfordernd, weil ihre Energiekosten teils massiv stiegen. Es ist zu erwarten, dass die Preise am Strommarkt auch künftig volatiler bleiben als vor einigen Jahren. Das liegt einerseits an der Abhängigkeit vom Gaspreis, andererseits am Ausbau der erneuerbaren Energien. Die Produktion letzterer, die zu Grenzkosten von nahezu null produzieren können, fällt saisonal und wetterbedingt (Wind, Sonne) unterschiedlich hoch aus, was die Volatilität an den Strommarktbörsen extrem verstärkt.
Handel an der Strombörse
Die meisten Schweizer Energieversorger beschaffen die Elektrizität über grössere Stromunternehmen mit Zugang zu den europäischen Strombörsen. Dort werden verschiedene Stromprodukte gehandelt, die sich hauptsächlich in kurz- und langfristige Beschaffungen unterteilen lassen.
Spot-Markt und Termin-Markt
Am sogenannten Spot-Markt oder Day-Ahead-Markt wird Strom gehandelt, der am Folgetag geliefert wird. Die nordeuropäischen Länder wie Deutschland, Frankreich, England oder auch die skandinavischen Staaten nehmen ebenso wie die Schweiz an der Strombörse «EPEX SPOT» mit Hauptsitz in Paris teil. Die Teilnehmer geben anonym ihre Gebote für Stromlieferung respektive Strombezug ab, auf deren Basis dann die Marktpreise für jede Stunde des Folgetages berechnet werden. Die Termingeschäfte, bei denen Strom für einen Zeitraum von bis zu sechs Jahren gehandelt wird, finden für Schweizer Marktteilnehmer mehrheitlich an der «EEX» in Leipzig statt. Strom kann dort für bestimmte Wochen, Monate, Quartale oder Jahre in der Zukunft beschafft werden.
Preisbildung durch Merit-Order
Die Marktpreise an den europäischen Strombörsen werden anhand des Modells der sogenannten Merit-Order bestimmt. Dazu wird für jede Stunde die gemeldete Nachfrage dem gemeldeten Angebot gegenübergestellt. Die Angebote stammen von Betreibern verschiedener Kraftwerkstypen mit unterschiedlichen Stromgestehungskosten. Zur Preisbildung werden zuerst die günstigsten Angebote berücksichtigt und dann nach und nach die teureren, bis die erforderliche Strommenge (Nachfrage) gedeckt ist. Die Konditionen des letzten Angebots, das noch berücksichtigt wurde, definieren den Strompreis für die gesamte «Tranche». Dieses Modell ist vor allem für jene Anbieter lukrativ, die zu tiefen Grenzkosten Strom produzieren können: Sie erhalten einen Preis, der deutlich über ihren Gestehungskosten liegt.
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Strombeschaffung: fix oder flexibel
In der Schweiz gibt es ungefähr 600 Energieversorger. Von diesen kommt aber nur eine Handvoll als Stromlieferanten für Unternehmen im freien Markt infrage, weil nur sie Preise zu Marktkonditionen bieten können. Den grössten Einfluss auf den Strompreis hat jeweils der Beschaffungszeitpunkt – die Menge dagegen ist eher wenig relevant.
Stromlieferung mit Fixpreis
Kleinere Unternehmen im freien Markt mit wenigen personellen Ressourcen für den Stromeinkauf delegieren diesen oft komplett an den Lieferanten. Dazu schliessen sie mit ihm einen Vertrag mit einem fixen Strompreis über einen bestimmten Zeitraum ab – idealerweise zu einem Zeitpunkt mit attraktiven Preisen an den europäischen Strombörsen.
Bei diesem Modell lassen sich die Energiekosten gut budgetieren und man ist gegen steigende Strompreise abgesichert. Allerdings ist es so nicht möglich, von sinkenden Preisen zu profitieren.
Flexible Strombeschaffung
Beim flexiblen Beschaffungsmodell gibt das Unternehmen dem Lieferanten den Auftrag, bestimmte Stromtranchen zu möglichst günstigen Konditionen zu beschaffen. Kunde und Lieferant definieren dazu zum Beispiel konkrete Preisbänder, in denen der Strom eingekauft werden soll. So kann ein Unternehmen von tieferen Preisen profitieren. Das Risiko ist aber höher und es bedingt ein gewisses Know-how und personelle Ressourcen, um den Strommarkt aktiv zu verfolgen. Tendenziell lohnt sich ein flexibles Beschaffungsmodell für grössere Unternehmen mit einem hohen Stromverbrauch.